Literatur am Fenster.
(k48 #206)
Innen an außen! Wir reagierten im Juni 2020 spontan auf die virusbedingten Beschränkungen mit einem neuen Projekt und laden seither Sprachkünstler*innen ein, das große k48-Schaufenster für jeweils ein paar Wochen zu beschreiben. Kurator: Oliver Hangl
Den Satz habe ich an der Bushaltestelle Poysdorf/Dreifaltigkeitsplatz aufgeschnappt. Zwei Frauen unterhielten sich unter regengrauem Himmel über die Vergänglichkeit allen Seins, und dabei seufzten sie aus vollstem Herzen.
Der Dialog setzte sich folgendermaßen fort: „Den Bäcker gibt´s a nimmer im Ort. Nur d`Blunzn hol i ma immer vom Bauern unt`. Di gun i ma, wuascht wos is.“
Hier der körperliche Zerfall – auch die beiden Frauen waren nicht mehr die jüngsten. Der Verlust der Oma, der Verlust des Bäckers. Dort die fortwährende Freude am Leben in der Form einer Blunze.
Ich war gerade aus dem Pflegeheim gekommen, wo ich meinen Vater besucht hatte, und so war ich wohl empfänglich für den wenn auch nur flüchtigen Moment der Erkenntnis, den das beiläufig Dahingesagte zu beinhalten schien. Als der Bus kam – wir waren die einzigen, die auf ihn warteten – hatte der Himmel jedenfalls eine etwas hellere Farbe als zuvor angenommen. Der Regen aber! Er fiel weiterhin. Sachte hüllte er die Landschaft ein, durch die wir fuhren. Milena Michiko Flašar, geboren am 31.3.1980 in St.Pölten, hat in Wien und Berlin Germanistik und Romanistik studiert. Sie ist die Tochter einer japanischen Mutter und eines österreichischen Vaters mit tschechischen Wurzeln, und lebt als Autorin in Wien. Ihr aktueller Roman „Oben Erde, unten Himmel“ ist 2023 im Verlag Klaus Wagenbach erschienen und sie hat dafür den Evangelischen Buchpreis 2024 erhalten.
Termin: 19.02.-17.03.2025
k48 – Offensive für zeitgenössische Wahrnehmung
Projektraum Oliver Hangl
Kirchengasse 48/Lokal 2, 1070 Wien
Unterstützt von: BMKOES-Kunst, Kultur Neubau, Wien Kultur-MA7
Dank an: cyberlab, Brillenmanufaktur